Das Bewerbungsgespräch ist das wohl prominenteste Instrument in der Mitarbeitendenauswahl und wird in unterschiedlichsten Varianten in fast jedem Einstellungsprozess, mehr oder weniger, intensiv und strukturiert eingesetzt. Viele Meter an entsprechender Fachliteratur füllen die Bibliotheken. Vor allem im Bereich der Ratgeberliteratur finden sich von Farb- und Stilberatung, bis hin zu vorbereitenden Frage- und Antwortbatterien, eine ganze Reihe von mehr oder weniger empfehlenswerten Beiträgen.
Teil I: Kenne das Unternehmen
Teil II: Kenne Deine Gesprächspartner
Teil III: Kenne den Job
Teil IV: Kenne und präsentiere Dich selbst
Teil V: Gehaltsverhandlungen
Unser Beitrag hier soll sich stärker auf die Inhalte, die beteiligten Personen, den Job und die damit verbundenen Aufgaben konzentrieren und den Fokus darauflegen, wie man durch eine gezielte und strukturierte Vorbereitung in der Lage ist, sich selbst in möglichst optimaler Weise für die gesuchte Aufgabe zu präsentieren. Weiter fokussieren wir uns auf das Segment, in dem der Autor die größten Erfahrungen gesammelt hat und dies sind zumeist Führungspositionen oder exponierte Fachkräftepositionen.
Durch die Komplexität der Materie ist das bisher hier verwendete Format nicht zu halten, sodass der Artikel in fünf Teilen erscheint, jeweils mit einem anderen Fokus:
Teil I: Kenne das Unternehmen
Teil II: Kenne Deine Gesprächspartner
Teil III: Kenne den Job
Teil IV: Kenne und präsentiere Dich selbst
Teil IV: Gehaltsverhandlungen
Und natürlich können auch mit einer solchen Aufteilung noch nicht alle Aspekte befriedigend beantwortet werden. Der Autor wird daher versuchen auf diese Aspekte in Form von Fußnoten hinzuweisen und ist natürlich für jegliches Feedback und Verbesserungsvorschläge dankbar.
1. Kenne und präsentiere Dich selbst
Nachdem wir in den letzten zwei Kapiteln unsere Aufmerksamkeit auf das Unternehmen, die Kenntnisse über die Ansprechpartner und die Jobbeschreibung gelegt habe, widmen wir uns in diesem Teil der Selbstpräsentation, oder der Vorstellung der eigenen Personen im Vorstellungsgespräch. Für die meisten ist diese Phase des Bewerbungsprozesses der schwierigste Teil. Natürlich beschreibt dieses Kapitel einen sozial sehr komplexen Zusammenhang. Es ist daher unbedingt notwendig, sich hier auf die wesentlichen Aspekte zu beschränken. Eine ausführliche Darstellung wird an anderer Stelle und in anderer Form erfolgen.
entscheidend is’ auf’m Platz (Alfred Preißler)
Nach den Vorbereitungen über Unternehmen, Ansprechpersonen und Jobprofil kommt irgendwann der Tag, an dem das erste Mal live, oder virtuell, ein Bewerbungsinterview geführt wird. Alle Vorbereitungen, die wir in den letzten Kapiteln behandelt haben, sind abgeschlossen und es geht nun um das erste Kennenlernen.
Wenn wir bei dem Fußballbild bleiben, kennen wir (sofern alle Artikel fleißig gelesen wurden), das Stadion und den Verein inkl. Geschichte und der wesentlichen Kennzahlen, alle Mitspielenden mit Historie und wir kennen sogar das Spiel. Was wir aber nicht kennen, und darum soll es hier gehen, ist die Taktik, die Tagesform, die konkrete Herausforderung in der Situation und wie sich die Situation im Gespräch entwickelt. Einiges können wir produktiv für unsere Zwecke nutzen, andere Dinge müssen wir auf uns zukommen lassen.
Das Bewerbungsinterview läuft meist nach einem bestimmten Muster ab. Einen ersten Teil bespielt der/ die Bewerber:in mehr oder weniger damit, über seinen Lebenslauf zu berichten. Dies kann entweder in einem freien Redeblock am Beginn des Interviews stehen oder je nach Eloquenz und Reife der Interviewer auch an den Anforderungen des Jobprofils entlang. 1
Im zweiten Teil wird überwiegend in Frage- und Antwortsequenzen ermittelt, wie bisher vorliegende Information und Anforderungen, die sich gerne auch noch einmal ändern, miteinander „matchen“. 2
In einem dritten Teil wird meist über persönliche und/oder Randbedingungen gesprochen und Unternehmen tendieren hier auch oftmals dazu, in diesem Bereich spezielle Vertragsbestandteile, Sozialleistungen und ähnliches mit den persönlichen Vorlieben und Einstellungen der Bewerbenden zu verknüpfen. 3 Die Angabe von Gehaltswünschen, Kündigungsfristen, Arbeitszeit etc. findet je nach Gesprächsstand oftmals am Ende des Interviews Platz.
Natürlich ist dem Zitat von Herrn Preißler zu folgen, denn nur ganz selten halten sich Interviewer oder auch Bewerbende an den Plan, den sie sich vorher gemacht haben. 4 Manchmal sind die Passagen für die Selbstpräsentation nur Fußnoten im Vortrag, manchmal wird man aufgefordert, die Situation in einer bestimmten Position noch einmal ausführlicher zu schildern. Von daher gilt die Devise „Flexibel bleiben“, aber auch dafür sollte man entsprechend vorbereitet sein.
2. Die Selbstpräsentation: Wir alle spielen Theater
In einem Bewerbungsgespräch sind feste soziale Rollen definiert. Die Interviewer stellen Fragen, die die Bewerbenden beantworten. Derjenige, der eingeladen hat, bietet Kaffee oder Kaltgetränke an und der/ die Bewerber:in beginnt nicht das Gespräch mit der Frage, ob denn auch heute alle wieder gut hergefunden haben; auch das macht der/ die Einladende.
Aber soweit die Situation auch sozial bekannt ist, so gibt sie unendlich viele Spielräume, wie die eigene Selbstpräsentation in diesem Kontext stattfinden kann. 5 Ob die empathische Führungspersönlichkeit, der/die direktive Einpeitscher:in oder der/die kooperative Teamplayer:in. Wie man sich in der eigenen sozialen Rolle in diesem Setting präsentiert, kann und muss zwingend vorbereitet werden. Die Floskel „Sei einfach Du selbst“ ist dabei nicht nur naiv, sondern in vielerlei Hinsicht auch am Thema vorbei, denn auf der Arbeitsstelle ist man nicht der perfekte Hausmann, die beste Freundin oder die Expertin für Modelleisenbahnen; sondern die Führungskraft, die gemäß den Unternehmenszielen eine Aufgabe erfüllt. Die Rolle, die wir am Arbeitsplatz einnehmen, ist nicht zwingend die, die wir im Privatleben oder da, wo wir „wir selbst sind“, ausfüllen. 67
Die Präsentation des Selbst in Vorstellungssituation sollte daher eng an den bekannten Faktoren (Gesprächspartner:innen, Unternehmen, Jobprofil) erfolgen und dies gilt es auch vorzubereiten.
Vorbereitungen der Lebenslaufpräsentation:
Die bewusste Konfrontation mit der eigenen Berufsbiografie ist für viele Führungskräfte erst einmal schwierig. Wie selbstverständlich sie in ihre Karriere gegangen sind, so unerklärlich und nicht nachvollziehbar kann dies für Interviewer bei der Lektüre eines Lebenslaufes sein. Eine strukturierte Vorbereitung ist daher wichtig. Der/die Ansprechpartner:in, das Unternehmensprofil und die konkreten Anforderungen an den Job sollten die Fixpunkte sein, an denen man die Vorbereitung der Selbstpräsentation festmacht.
Warum so und nicht anders?
Jeder geht einen anderen Weg und eine Standardvorbereitung zur Lebenslaufpräsentation könnte sich an der Frage ausrichten „warum so und nicht
anders?“.8 Bei der Vorbereitung konfrontiert man sich mit seinen vergangenen Entscheidungen und rationalisiert diese anhand der gemachten Erfahrungen.
,,Weil ich damals das Auslandspraktikum in Frankreich gemacht habe, arbeite ich heute auch noch besonders gerne und erfolgreich mit meinen französischen Kunden´´.
Für jede einzelne Station im Lebenslauf sollte man dies als Vorbereitung noch einmal nachvollziehen und sich aktiv damit auseinandersetzen. Fragen nach den damaligen Zielen, den Erfahrungen und ob man den jeweiligen Schritt im Nachhinein bereut hat, können helfen, sich mit der Situation noch einmal auseinanderzusetzen. So können kritische Nachfragen besser und überzeugender beantwortet werden.
Zeitliche Abfolgen und Übergänge:
Die zeitliche Abfolge, Jahreszahlen, Wechselmotivationen und Übergangsphasen sind ein absolutes Muss in der Vorbereitung. Unsicherheiten hinsichtlich der eigenen Biografie wirken im Vorstellungsgespräch immer negativ. 9 Die Interviewer sind meist interessiert an Wechselgründen und Motivationen, ebenso an Zeiten des Übergangs „between jobs“, oder negativ formuliert, „Lücken im Lebenslauf“. 10
Das biografische Narrativ oder einfach der flüssige Vortrag:
Der flüssige Vortrag der eigenen Berufsbiografie ist absolute Voraussetzung für eine gelungene Selbstpräsentation. Als Führungskraft, die vor Kunden und Mitarbeitenden spricht und präsentiert, sollte man in der Lage sein, die unterschiedlichen Stationen fehlerfrei und in einer stringenten Erzählung den Interviewern nahezubringen. Führungskräften im Vertrieb, im oberen Management oder die das Unternehmen repräsentieren, (ja auch Personaler:innen!) sollten die eigene Erzählung der Berufsbiografie als Narrativ begreifen und neben den einzelnen Fakten und äußeren Umständen auch Bewertungen, Meinungen und Haltungen einfließen lassen, die sowohl zu einem selbst, als auch zur zukünftigen Rolle im Unternehmen passen. 11
3. Das Frage-Antwort-Spiel: Ich weiß schon, was Du als Nächstes fragst
Vorwiegend im Mittelteil des Interviews erwartet jeden Kandidaten die ein oder andere Variation eines Frage-Antwort-Spiels. Entweder wird sich anhand biografischer Fragen weiter an der Kompetenz- und Anforderungsprofilschere gefeilt, oder thematische Frageblöcke rund um die Führungskompetenz, Erfolge und Konfrontationen mit kleinen Praxisbeispielen dominieren diesen Fragenkomplex.
Eine detaillierte Vorbereitung auf diesen Part ist schwer möglich, da die Interviewer hier ganz unterschiedliche Rollen einnehmen und je nach Seniorität, Professionalität und Position sich stark voneinander unterscheiden. 12 Die Hinweise, wie in solchen Situationen vorgegangen werden kann, sind eher rhetorischer Natur. Die Möglichkeiten auf eine Frage mit seiner Antwort auf einen Themenkomplex zu leiten, in dem man besondere Stärken hat, ist nur eine davon. Eine andere ist wieder dem Fußball entlehnt und besagt, dass man, wenn man im Ballbesitz ist, die andere Mannschaft einfach kein Tor schießen kann. Also, solange man mit seinen Ausführungen, Fragen und Rückfragen die Diskussion dominiert, kann man auch nicht so leicht in unübersichtliche Situationen gelangen.
Viele Gesprächsstrategien lassen sich bis ins kleinste durchdeklinieren und sicherlich auch einüben. Aber holzschnittartig und im Vorfeld auswendig gelernte Fragen und Antworten fallen meist negativ auf. Auch übertriebene Detailkenntnisse, die immer wieder und mehrfach vorgebracht werden, (z.B. wie Sie auch schon im Geschäftsbericht auf Seite x erwähnten, und im Handelsblatt vor zwei Monaten berichtet wurde etc.) geben einen Eindruck, der größtenteils nicht durchgehend positiv gelesen wird.
Ebenso eine zu genaue und gut gemeinte Vorbereitung kann über das Ziel hinausschießen. So ist es zum Beispiel in einem ersten Vorstellungsgespräch nicht angebracht Formulierungen und Rechtschreibfehler auf der Internetseite des Unternehmens unaufgefordert zu thematisieren, seitenlange Berichte zu Positionen und Strategien unaufgefordert und in Ringbindung mitzubringen oder die Interviewpartner zu einem Fußballspiel einzuladen. 13
4. Die Persönlichkeit und Haltung: „Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion? (Goethe)“
Führungskräfte werden heute oftmals nicht nur (!) nach der Eignung ausgewählt, sondern auch nach Meinungen und Einstellungen zu gewissen Themen. Viele Unternehmen geben sich selbst einen sogenannten Purpose, den sie auch in ihrer Mitarbeiterschaft wiedererkennen möchten. In vielen Interviews und vor allem in Business Netzwerk LinkedIn finden sich zahlreiche Unternehmen, die beteuern, dass für sie die Einstellung und Begeisterungsfähigkeit für den Purpose des Unternehmens wichtiger ist als die Qualifikationen. Zu einer guten Gesprächsvorbereitung und einer gelungenen Selbstpräsentation gehören heute in bestimmten Kontexten auch klar ausformulierte Meinungen. Während viele Jahrzehnte vorher eine eher ausgleichende Darstellung und vielerorts eine Tabuisierung von politischer Meinung das Maß aller Dinge war, so ist es heute in bestimmten Branchen und Unternehmen sehr wichtig, eine Meinung auch im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs zu vertreten. Gerade Führungskräfte in politisch sensiblen Kontexten sehen sich heute mit diesen Herausforderungen konfrontiert. Die Energieversorgungsbranche, öffentliche Arbeitgeber, Stiftungen und politiknahe Bereiche, aber auch klassische Branchen wie die Automobilindustrie oder der Anlagenbau schauen sehr genau auf die Äußerungen und Einlassungen der Bewerbenden.
5. Gehaltsvorstellungen, Rahmenbedingungen, Werbeblock und haben Sie noch Fragen?
Den Abschluss eines Vorstellungsgespräches ist meist stark ritualisiert. Gehaltsangaben, Arbeitszeiten, Urlaub, Auto ja/nein, Erläuterung eines mehrheitlich komplett intransparenten Systems der leistungsgerechten
Entlohnung 14 und der obligatorische Obstkorb oder der „Parkplatz“15, dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Da wir erst im 5. Teil der Reihe auf die Gehaltsverhandlungen eingehen, möchte ich hier nur einige Hinweise geben.
Wer in Zukunft mehrere Millionen Budget verantwortet, sollte auch auf die Frage, was man verdienen möchte, eine Antwort haben. Die Antwort sollte klar zwischen festen Gehaltsbestandteilen (das, was jeden Monat/Jahr als Bruttolohn der Gehaltsabrechnung zugrunde liegt) und variablen Anteilen unterscheiden. Der Gehaltswunsch sollte überlegt sein, einen Bezug zu Marktgegebenheiten haben und der aktuellen Lebenssituation angemessen sein. Ein detailliertes Betrachten nehmen wir im Folgekapitel vor.
Das Unternehmen begleitet die Schlusssequenz häufig mit Angaben zu nicht monetären Gehaltsbestandteilen, zu Erläuterungen von Urlaubs- und Arbeitszeitregeln, Firmenfahrzeugregelungen und natürlich den Karrieremöglichkeiten. Gerade in der ersten Gesprächssituation gilt es hier nicht zu sehr nachzufragen und Detailfragen zum Beispiel zur Farbe der Fahrzeugsitze auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Eine Erstgesprächssituation sollte vonseiten der Bewerbenden nicht allzu sehr mit Detailfragen aufgeladen werden.
Auf die berühmte Schlussformel, ob man noch Fragen habe, sollte man angemessen und vor allem wieder nicht zu detailliert nachfragen. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Gehaltsüberweisung ist in diesem Kontext sicherlich ebenso unangemessen wie die prinzipielle Einstellung zum unternehmensweiten Einsatz von RPA-Technologien im Kontext rarer IT-Ressourcen. Es gilt einen gesunden Mittelweg zu finden, Interesse zu signalisieren und ggf. Fragen, die man bei der Lektüre der Geschäftsberichte, der Wirtschaftspresse oder anderer Unternehmensinformationen hatte in ein oder zwei kurze Satze zu transformieren. Im Laufe eines Verfahrens wird dann genügend Zeit sein, Detailfragen zu klären.