Bares für Rares! und Bauer sucht Frau?
Der Arbeitsmarkt ist in der zweiten Jahreshälfte wieder kräftig in Fahrt gekommen. Auch wenn unklar ist, welche Auswirkungen das Einstellen der Hilfen und der coronabedingten Kurzarbeit haben wird, so wird in vielen Branchen und Regionen Hände ringend nach Personal gesucht. Die Wirtschaft wächst und der Hunger nach Fachkräften in Mangelberufen ist groß. 1.
Wer ein wenig sensibel für Recruiting-Kampagnen ist, dem begegnen im Social Media 2 – Umfeld, aber auch an Bahnhöfen und auf Großplakaten Anzeigen, in denen mit Wechselprämien geworben wird. Was verbirgt sich hinter diesen Prämien und ist das überhaupt seriös?
Wenn Stellenanzeigen und Berater nicht mehr helfen
Viele Unternehmen machten in den letzten Monaten die Erfahrung, dass die Qualität der Bewerbungen auf Stellenanzeigen stetig abgenommen hat. Auch wenn die absolute Zahl der eingehenden Bewerbungen meist noch zufriedenstellend war, so matchen nur die allerwenigsten mit den Anforderungen. Auch die Personalvermittler*innen und Personaldienstleister*innen können der Nachfrage nach Personal kaum nachkommen. 3 Selbst im Geschäftsbereich des Autors ist die Nachfrage nach Fach- und Führungskräften deutlich gestiegen. Hoher regionaler Bedarf an ähnlichen Anforderungsprofilen hindert die Unternehmen daran zu wachsen. Steigende Lohnforderungen und anstehende Regulierungen in Mangelberufen 4 tun ihr Übriges. Unternehmen, die selbst nach ausführlichen und kostenintensiven Rekrutierungsmaßnahmen keinen Erfolg hatten, wenden sich (wieder) 5 einem Instrument zu, was viele aus dem Bereich des Profisports kennen: einer Signing Fee, der sogenannten Unterschriftsprämie.
Die Signing Fee/ Unterschriftsprämie
Eine Signing Fee kennen viele aus dem Profisport, dort ist /war sie eine feste Größe. Um einen Profi von einem Wechsel zu überzeugen, werden sogenannte “Handgelder” bei einer Unterschrift unter einen neuen Vertrag gezahlt. So werden viele Verträge attraktiver und die Wahrscheinlichkeit, eine*n gefragte*n Spieler*in zu überzeugen, nimmt zu. Auch wenn diese „Handgelder“ in vielen Sportarten mittlerweile verboten wurden, werden sie oftmals weiterhin verdeckt gezahlt. Denn nur so ist es möglich, den begehrten Profi vom eigenen Verein zu überzeugen. 6 Wie setzen nun Unternehmen diese Methode ein und mit welchen Zielen?
Die Unterschriftsprämie als Aufmerksamkeitsbeschleuniger
Eine Unterschriftsprämie kann nur ihre Wirkung entfalten, wenn man weiß, dass es sie gibt. Und daher ist sie oftmals eingebunden in größere Werbekampagnen des Unternehmens oder für die Einführung der Prämie wird extra eine Kampagne gestartet. Natürlich fällt ein Bonus, eine Prämie oder eine Sonderleistung auf, die meist einen Großteil einer Anzeige ausmacht. Die Leser beschäftigen sich damit, schauen vielleicht nach, wer sich dahinter verbirgt, scannen einen QR-Code, diskutieren mit Kolleg*innen, leiten eine Social Media-Anzeige weiter und besprechen sie im Freundeskreis. Und schon dieser Effekt ist einiges wert. Selbst wenn die Prämie vielleicht auf den ersten Blick nicht so hoch ausfällt, so kann sie durch eine emotionale Aufladung doch zu einer erhöhten Aufmerksamkeit führen. Auf diese Weise finden sowohl etablierte Unternehmen neue Kandidat*innen (Bares sucht Rares), als auch Unternehmen mit Standortnachteilen und / oder schwierigeren Arbeitsbedingungen ihr Personal (Bauer sucht Frau). 7
Die Unterschriftsprämie als Gehaltsausgleich
Etwas leiser kommt die Unterschriftsprämie im Rahmen der Gehaltsverhandlung daher. Wenn der Vertriebler vor Prämienauszahlung den Arbeitgeber wechselt und so auf einige Monatsgehälter verzichtet, eine neue Mitarbeiterin Zusatzzahlungen oder Versorgungsansprüche im Rahmen eines Stellenwechsels nicht in Anspruch nimmt 8 oder zusätzliche Belastungen bei der Unterschrift auf ihn oder sie zukommen (z.B. durch eine temporäre zweite Wohnung o.Ä.), so wird dies manchmal mit einer Einmalzahlung abgegolten. Strenggenommen ist das nur eine andere Form der Unterschriftsprämie, denn diese Zahlung soll die Unterschrift unter den neuen Arbeitsvertrag wahrscheinlicher machen.
Die Unterschriftsprämie als verdecktes Abwerbeargument in lokalen Märkten
Unterscheiden sich lokal agierende Unternehmen nicht sonderlich in ihrer Leistungserbringung und Bezahlung, werden Unterschriftsprämien oftmals eingesetzt, um Mitarbeitenden der Konkurrenzfirma ein Argument für den Stellenwechsel zu geben. So sind lokal agierende Handwerksbetriebe und mobile Pflegeservices derzeit die Gewerbe, bei denen eine Unterschriftsprämien meist eher verdeckt eingesetzt werden, obwohl in Wirklichkeit fast alle Interessierten davon wissen.
Die Unterschriftsprämie für Auszubildende
In der Auszubildendenrekrutierung kommt die Unterschriftsprämie oft auch in „Naturalform“ daher. Hier wird mit einem kleinen Firmenwagen, einem Führerschein oder anderen altersspezifischen Angeboten geworben, die eigentlich auch nichts anderes als eine Unterschriftsprämie sind. Mit diesen Angeboten erarbeitet sich der Ausbildungsbetrieb ein Alleinstellungsmerkmal auf den oft lokal oder regional sehr angespannten Ausbildungsmärkten.
Die vielfältigen Einsatzbereiche der Unterschriftenprämie zeigen, dass sie als erfolgreiches Instrument durchaus ihre Daseinsberechtigung hat. In „Bares für Rares“- Situationen sind sie eine Methode, mit der vielleicht die ein oder andere Fach- und Führungskraft gewonnen werden kann, in „Bauer sucht Frau“-Märkten, eingebunden in größere Kampagnen, fungiert sie als Aufmerksamkeitsbooster, um den Betrieb in Randlage attraktiv darstellen zu können. Auch in lokalen Kontexten und in Auszubildendenrekrutierungen kann eine Sonderzahlung durchaus Sinn ergeben. Aber es gibt auch Aspekte der Prämie, die genau geprüft werden sollten, damit keine gegenteiligen Effekte eintreten.
Genaue Prüfung der Prämienbedingen
Das, was oftmals als Unterschriftsprämie beworben wird, ist oftmals gar keine, sondern ein Bonus, der erst nach Ablauf einer fest definierten Zeit (Probezeit, erstes Jahr, zweites Jahr) gezahlt wird. Auch eine Stückelung der Zahlung in zwei, drei oder auch mehr Teilen, wiederum gebunden an eine feste Beschäftigungsdauer ist durchaus denkbar. Jede*r, der eine solche Prämie angeboten bekommt, sollte daher genau prüfen, an welche Kriterien die Auszahlung gebunden ist. Manchmal finden sich sogar Konstruktionen, die eine Rückzahlung von bereits erhaltenen Prämien verlangen. Auch die steuerliche Behandlung der Prämie muss im Einzelfall geprüft werden. Zu versteuern ist eine solche Sonderzahlung in jedem Fall.
Negative Effekte für das Unternehmen
Neben all den positiven Aspekten der Unterschriftsprämie sind doch auch einige negative Aspekte zu benennen. Denn je nach Betrachtungswinkel sind die Prämien nicht unumstritten.
a)Kosteneffekte:
Eine Unterschriftsprämie hilft nur, wenn die Bewerbenden wissen, dass es sie gibt. Die volle Wirkung entwickelt diese Zahlung erst im Rahmen einer größeren Kampagne. Die Auszahlung der Boni für die Neueinstellungen und die zusätzlichen Media-Kosten sind oftmals so hoch, dass sich wirklich positive Effekte erst im Rahmen von Massenrekrutierungen oder zumindest der Einstellung einer größeren Zahl von Personen auszahlt. Für einzelne Positionen ist sie schlicht zu teuer. 9
b) Imageaspekte:
Getreu des Bauer sucht Frau-Wortbildes wird nicht jede Unterschriftsprämie positiv wahrgenommen. So werden viele Leser*innen eine solche Kampagne als Rettungsaktion einer Firma interpretieren, die ja sonst niemanden findet oder zu der niemand wechseln möchte. Diese Aspekte sollten mitbedacht und antizipiert werden. Sie hängen sicherlich auch stark von regionalen und lokalen Facetten ab und sollten in Hinblick auf Fluktuationszahlen, Mitarbeitendenbewertungen, Unternehmensleitbild und Purpose geprüft werden.
c) Auswirkungen auf die bestehende Belegschaft:
Auch die Stimmen aus der eigenen Belegschaft sind nicht zu unterschätzen. Wenn neue Mitarbeitende eine Sonderzuwendung erhalten, die alteingesessene Mitarbeitende nicht erhalten haben, ist in vielen Unternehmen der Betriebsfrieden bereits in Gefahr. Hier gilt es sehr sensibel zu sein. Vorabgespräche mit Mitarbeiter*innenvertretungen können helfen, die Akzeptanz einer solchen Maßnahme zu steigern.
Fazit
„Bares für Rares“ und „Bauer sucht Frau“ waren die Bilder, anhand derer die Unterschriftsprämie (Signing Fee) in unterschiedlichen Bewerbermärkten beleuchtet wurde. Als nicht ganz so neues Element im Recruiting erfährt diese Sonderzulage gerade eine Renaissance. Eingesetzt im Rahmen größerer Recruiting-Kampagnen dient sie als Aufmerksamkeitsbooster oder als zusätzlicher Anreiz im Rahmen von Gehaltsverhandlungen. Aber nicht immer halten diese Prämien das, was sie versprechen. Denn viele Unterschriftsprämien sind noch an viele andere Aspekte gebunden als nur an die Unterschrift. Jeder, der solch eine Prämie annimmt, muss daher genau prüfen, wie sich diese auf ihn persönlich auswirkt, und auch für die Unternehmen ist es ratsam zu prüfen, ob die Prämie Sinn ergibt. Denn neben den hohen Kosten stehen ggfs. auch das Image der Firma oder der Belegschaftsfrieden auf dem Spiel.
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