Das berufliche Selbst in den sozialen Business Medien

Die Darstellung des beruflichen Lebens in den sozialen Netzwerken ist für viele Berufsgruppen heute zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sei es die Marketing- oder Vertriebsleiterin, die anhand eines 360-Grad-Videos über die Produktpalette informiert, oder der Personalleiter, der in den sozialen Medien seine zu besetzenden Positionen postet.
Aber neben diesen beruflich wohl für viele Unternehmen notwendigen Mitteilungen finden sich mittlerweile auch eine Vielzahl von Darstellungen des beruflichen Lebens, die – vorsichtig formuliert – zu einigem Unmut der Nutzerschaft führen. So finden sich in der letzten Zeit viele Darstellungen und Äußerungen eines Tuns, welches auf den ersten Blick nur sekundär oder gar nichts mit der beruflichen Tätigkeit selbst zu tun hat. Dabei handelt es sich sowohl um Posts über Betriebsfeiern oder innerbetriebliche Veranstaltungen, Ver- oder Ankündigungen von Vater- beziehungsweise Mutterschaft, als auch um Abwesenheiten, Urlaubsgrüße, Büroansichten, Sinnsprüche, Motivationsaphorismen und vor allem Videos, spirituelle und auch religiöse Botschaften sowie zunehmend auch politische Botschaften.
Warum ist das so? Warum inszenieren sich Mitarbeitende, die auf den ersten Blick für ein seriöses Unternehmen arbeiten, so in den sozialen Business Medien? Und gibt es wirklich ein zu viel des Privaten oder ist das Private mittlerweile auch beruflich so relevant, dass eine Darstellung im beruflichen Kontext in einem sozialen Business Medium würdig bzw. nötig wäre?
Work und Life: Eine Einheit, die jetzt den oder keinen Unterschied macht?
Die Darstellung des Arbeitslebens und des beruflichen Tuns in den sozialen Medien, sofern sie damals existiert hätten, hätte es in dieser Form vor 20 Jahren sicherlich nicht gegeben 1. In einer viel traditionelleren (post-) industriellen Arbeitsgesellschaft war die Rolle der Arbeit und des Privatlebens meist sehr klar definiert. Der Ort, an dem gearbeitet wurde, war meist außerhalb des privaten Umfeldes, die beruflichen Kontakte waren nicht zwangsläufig immer auch private Kontakte. Umfassende Normen hinsichtlich des beruflichen versus privaten Verhaltens, der spezifischen beruflichen Kleidung und des förmlichen Umgangs miteinander machten jedem Beobachtenden schnell klar, ob es sich bei einer Konversation um einen engen beruflichen oder aber um einen privaten Kontext handelte 2. In der heutigen Zeit ist dies meist nicht mehr klar erkennbar. Auffällige Zeichen oder Anzeichen einer beruflichen Tätigkeit in Form von Kleidung, spezifischen Ausdrucksweisen oder Verhaltens sind nicht zwangsläufig für einen Beobachtenden erkennbar und entsprechend zuordenbar. 3 Auch die Orte der Arbeit haben sich in den letzten Jahren und nicht nur während der Pandemie grundlegend geändert. Und letzten Endes ist auch oftmals gar nicht erkennbar, ob eine Person nun arbeitet oder sich bereits in einem privaten Kontext befindet. Die Grenze dessen, was noch als Arbeit zu bezeichnen ist und demgegenüber was als sogenanntes Privatleben gilt, ist mehr und mehr verschwommen. 4 Dies führt dann eben auch häufig zu Missverständnissen in der Bildsprache. Während für den einen Teil der Leserschaft lässig gekleidete Menschen in einer Strandbar klar einem Freizeitvergnügen nachgehen 5, so kann dieses Bild mittlerweile in vielen Kontexten auch ein ernsthaftes Business Meeting darstellen. Auch die vielen Vertreter*innen der „New Work“ -Bewegung geraten hier oftmals in Erklärungszusammenhänge. Viele ihrer Ideen und (Raum-)konzepte werden eher dem Privatleben zugeschrieben und haben Akzeptanzprobleme bei Entscheidenden, die eher noch an klassischen Rollen festhalten.
Unternehmen mit „purpose“ benötigen die ständige Reproduktion ihres Narrativs
Auch die Unternehmen und die Art wie Unternehmen wirtschaften haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir haben es heute oft mit „purpose driven companies“ zu tun, deren Zweck oftmals nicht mehr über die reine Gewinnoptimierung oder die Steigerung des Aktienkurses oder anderer betriebswirtschaftlicher Kennzahlen kommuniziert wird, sondern über eine wie auch immer definierte Form des Unternehmenszwecks. 6
Das können Zwecke sein, die dem Konzept der Nachhaltigkeit, einer besonderen sozialen Verantwortung, gesellschaftlichem Engagement oder anderen Werten oder Orientierungen folgen. Steht ein Unternehmen zum Beispiel aufgrund seiner Produkte – nehmen wir aus Fischernetzen hergestellte Turnschuhe oder die die Produktion ökologischer Nahrung – so werden wir auch in den sozialen Medien häufig Bilder von Mitarbeitenden sehen, die genau mit diesen Tätigkeiten zu tun haben und die sich in genau diesen oder ähnlichen Situationen inszenieren. Dies wird nicht nur teilweise von ihnen erwartet, sondern ist auch privat Wunsch, ihr Antrieb und ihre Motivation für genau dieses und kein anderes Unternehmen zu arbeiten. Sieht man nun eine Mitarbeiterin, die privat im Urlaub einen Meeresstrand säubert und darüber bei LinkedIn berichtet, so reproduziert dieses Verhalten den Unternehmenszweck ihres Arbeitgebers. Sowohl die Mitarbeiterin als auch ihr arbeitgebendes Unternehmen kämpfen für dieselbe Sache, welche ein solcher Post (re)produziert.
Es ist in diesem Kontext selbstverständlich, dass solche Zwecke nahezu in jeder Organisation vorkommen und dass Mitarbeitenden unzählige Möglichkeiten offenstehen, ihr eigenes berufliches Tun auf diesen Unternehmenszweck hin zu optimieren und sich gleichzeitig darin zu präsentieren. Zahlreiche Fotos aus Urlauben werden somit zu Markenbotschaftern des eigenen Arbeitgebers.
Leider ist diese Form der Darstellung immer mit speziellen Wahrnehmungs- und Erfahrungskontexten verbunden. Sofern ich nicht weiß, dass die dargestellte Person am perfekt ausgeleuchteten Strand Plastikmüll sammelt, weil sie für ein Recyclingunternehmen arbeitet und indirekt dafür wirbt, halte ich diese Szenerie vielleicht vorschnell für ein Instagram-Setting, welches verzweifelt versucht ein like für den Urlaubsort, das Foto und die Selbstbestätigung zu erhalten. Und so produzieren diese Bilder und Posts auch gleichzeitig immer Chancen für Missverständnisse.
Gefahren in der beruflichen Selbstdarstellung
In dieser Art der beruflichen Selbstdarstellung liegen demnach auch Risiken. Nicht immer sind berufliche Beziehungen von Dauer und das ehemals so gepriesene Unternehmen steht plötzlich nicht mehr gut da. Wenn man zum Beispiel vor einigen Jahren noch für führende Automobilhersteller arbeitete und freizügig Fotos von fossilenergiebetriebenen Luxuskarossen aus dem Italienurlaub postete, so wirkt das heute nicht nur anachronistisch, sondern kann auch die Einstellung in ein Unternehmen, welches (demnächst) vielleicht nur noch ausschließlich E- Autos herstellt, durchaus behindern. Beispiele wie diese gibt es zuhauf. Zu denken ist hier an die zahlreichen Hersteller von Fleisch, Automobilen, Holzpellets oder auch Lastenrädern sowie Kohlkraftwerken. Eine allzu ambitionierte Darstellung seines eigenen Tuns für einen Arbeitgeber kann sich somit in bestimmten Situationen auch gegen einen wenden. 7 So finden sich heute in den sozialen Business-Netzwerken viele Darstellungen der beruflichen Tätigkeit in Verbindung mit Statussymbolen. Wenn sich ein „Leadgenerierer“ bei einem Post für die Suche nach neuen Mitarbeitenden mit Rolex und dem neuesten Telefon ablichten lässt, so mag das vielleicht für seine Mitarbeitendensuche ein exzellentes zielgruppenspezifisches Vorgehen sein, auf viele andere dürfte dies allerdings eher befremdlich wirken.
Social Media Screening im Executive-Search
Die Branche der Personalvermittelnden ist heute hinsichtlich der Präsentation von Kandidat*innen in den sozialen Medien 8 sehr sensibel. So prüft der Autor jeden einzelnen Online-Auftritt eines*r Kandidat*in, nicht nur aus dem Interesse heraus, diese*n besser kennen zu lernen, sondern auch um zu ergründen, ob seine/ ihre berufliche Selbstinszenierung den Zielen des Kunden schaden könnte oder ob es Indizien dafür gibt, dass diese*r Kandidat*in vielleicht aufgrund seiner/ihrer Aktivitäten nicht optimal ins Team passt. Dies geschieht jedoch nicht bis in die privatesten Kanäle hinein, sondern bezieht sich auf die Darstellungen in den sozialen Business-Netzwerken und „Klarnamenprofilen“ in anderen sozialen Medien.9
Es ist nicht selten, dass Kunden ganz dezidiert nach den Online-Aktivitäten der Kandidat*innen fragen. Hier geht es nicht darum Kandidat*innen zu „stalken“, sondern darum, zweifelhafte Ausführungen oder den Hintergrund des/der Kandidat*in zu kennen. So sind politische Äußerungen zu bestimmten strittigen Themen immer wieder Diskussionspunkt. Kann ein bekennender, sich privat engagierender Politiker einer ganz rechten oder ganz linken Partei, der seine Ansichten täglich über soziale Medien verbreitet, den Vertrieb eines traditionellen Versicherungsbüros leiten? Ein Mensch, der sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen positioniert, einen privaten Kindertagesstättenträger? Diese und andere Fragen sind derzeit sehr umstritten, müssen aber gestellt, erörtert und stets individuell beantwortet werden.
Wir von aumann & metzen haben uns dazu entschlossen, diese Informationen stets an den Kunden weiterzuleiten, sofern uns diese in den sozialen Business Medien und Klarnamenaccounts auffallen. Die Kunden entscheiden dann ganz individuell, wie sie mit diesem oder jenem Verhalten umgehen wollen. Einige Kunden reagieren hier sehr strikt und schließen jeden Kandidaten aus, der polarisierenden Meinungen kundtut. Andere wiederum begrüßen es, wenn Kandidaten auch in den sozialen Medien aktiv sind.
Was ist Eure Meinung zu diesem Thema und welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Schreibt es uns in die Kommentare!
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