Was macht den Jobwechsel in leitenden Positionen schwierig und was gilt rechtlich? Arbeitsrechtlerin Stefanie Prehm erklärt uns, was in diesem Kontext zu beachten ist.
Als Führungskraft ist man nicht nur in der Rolle des Arbeitnehmers mit den vielen Facetten des Arbeitsrechtes beschäftigt, sondern oftmals gleichzeitig auch als Arbeitgeber. Dies kann Herausforderungen mit sich bringen und einiges an Expertise notwendig machen, da das Arbeitsrecht nicht zu den Bereichen gehört, in denen aumann & metzen als Experten auftreten, konnten wir eine führende Anwältin für Arbeitsrecht dafür gewinnen, uns einige Fragen zu beantworten, die immer wieder in der Personalberatungspraxis auftauchen und bei denen selbst gestandene Führungskräfte immer wieder unsicher werden. Unsere Gesprächspartnerin Frau Stefanie Prehm ist erfolgreiche Fachanwältin für Arbeitsrecht, die sich nach 21 Jahren erfolgreicher Tätigkeit in einer der führenden deutschen Anwaltskanzleien entschlossen hat, neue Wege in ihrer eigenen Kanzlei zu gehen. Stefanie Prehm verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Unternehmen und Führungskräften in sämtlichen Bereichen des Arbeitsrechts. Bei Verhandlungen mit SozialpartnerInnen ist sie kompetente Beraterin der Arbeitgeberseite, wobei sie stets lösungsorientiert die weitere Zusammenarbeit dieser im Blick hat. Stefanie Prehm berät auch internationale Mandanten in englischer und spanischer Sprache.
Volker Aumann: Frau Prehm, als Arbeitsrechtlerin haben Sie in Ihrer langjährigen Berufspraxis ja schon vieles gesehen und erlebt. Was sind, Ihrer Meinung nach, die wohl strittigsten Themen, über die sich Führungskräfte mit ihren Arbeitgebern streiten?
Stefanie Prehm: Hier würde ich neben den üblichen Beendigungsstreitigkeiten vor allem die variable Vergütung und nachvertragliche Wettbewerbsverbote sehen. Beide Themen haben einen hohen finanziellen Impact und bringen daher viel Konfliktpotenzial mit sich.
Sowohl bei der Vergütung als auch dem Wettbewerbsverbot ist häufig die konkrete Vertragsgestaltung, also die vereinbarte Klausel, nicht eindeutig oder ausreichend konkretisiert, sodass rechtlich viel Interpretationsspielraum bleibt. Bei Vergütungsstreitigkeiten sind die Arbeitsgerichte sehr arbeitnehmerfreundlich, so spricht das Bundesarbeitsgericht Arbeitnehmern einen 100%igen Bonusanspruch (als Schadensersatz) zu, wenn die Vereinbarung von Zielen entgegen der Vereinbarung unterbleibt. Auch bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten lohnt sich ein gründlicher Klauselcheck durch einen Experten: Oft sind Wettbewerbsverbote unwirksam oder zumindest nicht verbindlich. Wenn ich als Führungskraft einen Wechsel zum Wettbewerber anstrebe, lohnt es sich, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot genau prüfen zu lassen.
Volker Aumann: Das mit dem Wettbewerbsverbot ist sicherlich für viele vertriebsorientierte Führungskräfte interessant. Oft sprechen wir auch mit Menschen, die sich neben ihrer Führungsfunktion noch weiterbilden, z.B. an internationalen Business Schools. Häufig gehen Unternehmen in die Co-Finanzierung dieser Weiterbildungen und verlangen im Gegenzug, dass die Mitarbeiter sich verpflichten, noch einige Jahre zu bleiben oder aber im Falle eines Wechsels, die erstatteten Ausbildungskosten zurückzuzahlen. Sind solche Regelungen aktuell noch gültig?
Stefanie Prehm: Durchaus. Aus Sicht der Unternehmen ist es auch nachvollziehbar, dass das Investment in die Kompetenz der Mitarbeiter zunächst dem eigenen Unternehmen zugutekommen sollte. Eine Kostenübernahme mit einer Rückzahlungsverpflichtung stellt zumindest eine gewisse Hürde dar, die den Mitarbeiter von einem sofortigen Jobwechsel nach Abschluss der Ausbildung unter Umständen abhält. Grundsätzlich können solche Rückzahlungsklauseln wirksam vereinbart werden, allerdings sind dabei einige Regeln zu beachten. Beispielsweise muss sich der Rückzahlungsbetrag für jeden Monat, den der Mitarbeiter nach Abschluss der Weiterbildung noch im Unternehmen verbleibt, ratierlich reduzieren. Darüber hinaus ist die Dauer der Bindung von einigen weiteren Faktoren abhängig, die je nach Fallgestaltung abweichen können. Es ist daher unbedingt zu empfehlen, die Klausel durch eine/n ArbeitsrechtsspezialistIn aufsetzen oder prüfen zu lassen.
Volker Aumann: Das mit der ratierlichen Reduktion war auch mir neu. Oft erreichen uns in unseren Gesprächen Fragen nach Rückkehroptionen, z.B. nach einer (Auslands-)Entsendung oder der zeitlich befristeten Übernahme einer Funktion in einem anderen Konzernteil. Sind solche „Versicherungen“ hinsichtlich einer sich immer schneller ändernden Unternehmenswelt überhaupt noch von Unternehmen einlösbar und wenn nicht: Welche Möglichkeiten hat dann das Unternehmen und der/die ArbeitnehmerIn?
Stefanie Prehm: Ich habe in all den Jahren überwiegend die Erfahrung gemacht, dass Rückkehrklauseln nur selten auch wie vereinbart umgesetzt werden. Dies liegt zum einen daran, dass nicht selten der Grund für die Beendigung der Entsendung in der Unzufriedenheit mit der Leistung des Mitarbeiters liegt. Sie können sich vorstellen, dass in diesen Fällen aus Unternehmenssicht kein Interesse daran besteht, dass dieser Mitarbeiter im Heimatland womöglich eine Führungsposition bekleidet. Doch selbst wenn es keine Performancefrage ist: Oftmals gibt es im entsendenden Unternehmen nach Beendigung der Entsendung keinen geeigneten Arbeitsplatz; nicht selten scheitert der weitere Einsatz auch an sehr unterschiedlichen Erwartungen an die zukünftige Rolle im Unternehmen. Die Rückkehrklauseln haben aus Sicht der Führungskraft vor allem einen psychologischen Effekt. Rein rechtlich ist es so, dass die Beendigung der Entsendung kein Selbstläufer für die zeitgleiche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Stammunternehmen ist, ganz gleich, was der Vertrag dazu regelt. Andernfalls könnte man den deutschen Kündigungsschutz einfach aushebeln. Abgesehen davon gibt es durchaus Gestaltungsvarianten, die rein faktisch zum gewünschten Ergebnis führen, wie beispielsweise die Vereinbarung einer Abfindung, deren Höhe bereits im Vertrag geregelt wird, sollte es keine Rückkehrmöglichkeit geben. Aber auch hier sollte man vorher mit einem Anwalt abklären, welche Vor- und Nachteile mit einer solchen Regelung verbunden sind.
Volker Aumann: Ein ganz spezieller Mitarbeitertypus ist ja der/die GeschäftsführerIn. Ein/e GeschäftsführerIn der/die über – sagen wir – 5 Jahre bestellt wurde, erhält nach der Hälfte der Laufzeit ein für sie/ihn deutlich attraktiveres Angebot. Kann die Geschäftsführung einfach kündigen und wechseln oder ist sie an die Laufzeit des Vertrags gebunden?
Stefanie Prehm: In der Regel ist bei Geschäftsführerverträgen, die eine feste Laufzeit haben, die ordentliche Kündigungsmöglichkeit für beide Seiten ausgeschlossen. Sowohl das Unternehmen als auch der/die GeschäftsführerIn sind dann an den Vertrag bis zum Ablauf der Laufzeit gebunden, es sei denn, es liegen Gründe vor, die eine fristlose Kündigung des Vertrages rechtfertigen. Aber dennoch lohnt es sich auch hier nochmals genauer hinzuschauen: Zum einen kommt es auf die konkrete Formulierung der Beendigungsregelungen an. Zum anderen ist nach deutschem Recht die Bestellung zum Geschäftsführer losgelöst von dem zugrunde liegenden Vertrag zu sehen. Eine Niederlegung der Organstellung bzw. Abberufung ist jederzeit ohne Begründung möglich. Dies kann – aus Sicht beider Vertragsparteien – ggfs. ein Gestaltungselement sein, das eine Dynamik in die Vertragssituation bringt und bei der anderen Vertragspartei ggfs. die Bereitschaft zur vorzeitigen Beendigung erhöht. Meist rate ich aber eher zu einem offenen Gespräch statt zu taktischen Schachzügen, wenn tatsächlich ernsthafte Wechselabsichten bestehen.
Volker Aumann: Die Pandemie nähert sich dem Ende, aber einige Formen der virtuellen Zusammenarbeit haben sich bewährt und werden bleiben. Abschließend interessiert mich deshalb: Gibt es eigentlich spezifische arbeitsrechtliche Themen rund um den Aspekt “Führung in der Pandemie”? Hier kollidieren Fragen des Arbeitsrechts schon oft mit Themen der Technik. Kann man einen Mitarbeitenden zum Beispiel in einer Teams-Sitzung rechtswirksam sanktionieren oder gar kündigen oder setzt dies stets ein persönliches Gespräch voraus?
Stefanie Prehm: Was arbeitsrechtliche Maßnahmen oder Sanktionierungen angeht, ändert sich durch die Digitalisierung eigentlich nicht viel. Ein persönliches Gespräch beispielsweise war auch bisher nicht zwingend erforderlich. Im Ergebnis ist es also eher eine Frage der Machbarkeit und des Stils. Man kann also ohne weiteres ein Personalgespräch auch über Teams führen; auch eine mündliche Abmahnung ist möglich. Allerdings ist eine begleitende schriftliche Dokumentation zu Nachweiszwecken zu empfehlen. Etwas anderes gilt dann, wenn das Gesetz die Schriftform vorschreibt, wie beispielsweise bei der Kündigung. Dann hilft weder ein persönliches Gespräch noch eine Videobesprechung allein: diese können nur dazu dienen, den Mitarbeiter vorab über die getroffene Entscheidung zu informieren.
Volker Aumann: Vielen Dank Frau Prehm für das Interview! Wenn Sie als Leser noch weitere Fragen zum Thema Arbeitsrecht haben bzw. einen individuellen Rat in einer Angelegenheit benötigen, so erreichen Sie Frau Prehm unter folgenden Kontaktdaten:
Stefanie Prehm
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partnerin der Linde & Steffan Rechtsanwälte PartGmbH
Tel. 0221 / 420 608-0
Mobil: 0170 / 194 81 87
Mail: prehm@arbeitsrecht-koeln.com
Web: www.arbeitsrecht-koeln.com
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